„Wir ziehen keine Olympia-Teilnehmer heran“

Hessische Mannschaftsmeisterschaften der Gymnastik in Dieburg: Harmonische Bewegungen und Gesundheit als Ziele // von Jens Dörr

Bei den Hessischen Mannschaftsmeisterschaften der Gymnastik (Pflichtstufen) in der Dieburger Schlossgartenhalle hat der TV Groß-Zimmern am Sonntag einen der Landestitel gewonnen. Auch für Gastgeber TV Dieburg sprang ein Podestplatz heraus. Aus mehreren Gründen durften sich aber alle Teams und Teilnehmerinnen als Gewinner fühlen.

Denn die 23 Mannschaften in den sechs Wettbewerben hatten sich einerseits bereits über vorangegangenen Gaumeisterschaften für die hessischen Titelkämpfe qualifiziert – so die Turnvereine aus Dieburg und Groß-Zimmern mit jeweils zwei Formationen. Andererseits stelle bereits die reine Ausübung der facettenreichen, anmutigen Sportart einen großen persönlichen Gewinn für die Athletinnen dar, wie am Sonntag in Elena Häberl die Leiterin der Abteilung Gymnastik und Tanz des TV Dieburg erläuterte.

„Wir ziehen keine Olympia-Teilnehmer heran“, verdeutlichte Häberl und grenzte die Gymnastik der Pflicht- und Kürstufen (in letzteren kürten bereits am Samstag in Biblis die Teams ihre Hessenmeister) zunächst einmal von der noch anspruchsvolleren, seit 1984 olympischen Rhythmischen Sportgymnastik ab. Bei der Gymnastik, wie sie etwa im Dieburger Turnverein praktiziert werden, begreife man die Wettkampferfolge eher als Zugabe, verfolge primär anderes: „Die Ziele sind harmonische Bewegungen, die Gesundheit der Gymnastinnen und das Wecken des Interesses am Sport ganz allgemein.“ 120 Mitglieder, darunter 100 Sporttreibende, hat allein diese Abteilung des rund 2 200 Mitglieder zählenden TVD. 16 der Gymnastinnen nehmen aktuell an Wettkämpfen teil. Obwohl grundsätzlich auch für Jungs und Männer offen, blieben die weiblichen Teilnehmer am Sonntag unter sich. Zudem ist für das Gros der Athletinnen spätestens mit der Volljährigkeit Schluss. In Dieburg etwa sind Blerta Avdiu und Julia Häberl, die derzeit dem Abitur entgegengehen, die ältesten Gymnastinnen.

Während Häberl am Sonntag in der jahrgangsoffenen Klasse P8-P9 mit dem TVD-Team (Julia Fenn, Julia Häberl, Sandra Düsterhöft) vor die Kampfrichterinnen trat, machte sich das Fehlen von Avdiu bemerkbar: Mindestens drei und maximal fünf Gymnastinnen bilden bei den Meisterschaften eine Mannschaft – gewertet und addiert werden die Resultate der drei besten Teilnehmerinnen jedes Teams. Ohne Avdiu traten die Dieburger in der höchsten Klasse der Landes-Titelkämpfe zu dritt und damit ohne Streichergebnis an, verpassten auf Platz vier das Treppchen um zwei Punkte. Hessenmeister wurde hier der TSV Rot-Weiß Auerbach. Im Pflichtwettkampf P7-P8 der bis 16-jährigen Athletinnen sicherte sich Dieburg (Lenja Stöver, Tatjana Euler, Laura Keil, Emily Murmann und Leonie Thomas) hingegen Rang drei. Hier siegte die SG Sandbach.

Ein Titel ging derweil in die unmittelbare Nachbarschaft: In der Klasse P5-P6 der bis Zwölfjährigen wurde der TV Groß-Zimmern Hessenmeister. Das Quartett um Paulina Breitwieser, Nicola Warjas, Jessica Kraus und Marie Krämer wurde besser als die vier Konkurrenzteams ihres Wettbewerbs bewertet. Dabei haben die Kampfrichter bei den Pflichtstufen insbesondere im Blick, dass genau die vorgegebenen, zu Musik präsentierten Elemente präsentiert werden. Sogar Übungen, die schwieriger als verlangt seien, würden in den Pflichtstufen bestraft, erläuterte Häberl, selbst Kampfrichterin auf Landesebene.

Kriterien seien neben den Techniken an den Geräten die Harmonie der Darbietung, das Zusammenspiel mit der Musik, die Sprünge und die Körperspannung, beispielsweise die gestreckten Fußspitzen. Jedes Element hat dabei seinen Wert – bei Fehlern ziehen die

Kampfrichter von einer für jede Pflichtstufe individuellen Maximalpunktzahl Teilpunkte ab. Abzug sei dabei nicht gleich Abzug, wie es Häberl an einem Beispiel plastisch machte: „Wenn mir ein Gerät runterfällt, ist es ein Unterschied, ob ich es sofort wieder aufhebe oder dazu zwei Schritte laufen muss. Dann kann es 0,1 oder 0,2 Punkte Abzug geben.“

Die in der Summe geringsten Abzüge hatten in den weiteren Klassen die Hessenmeister SV Dortelweil (P4-P5, Groß-Zimmern mit Daria Ciani, Sarah Guzy, Jasmin Ripper und Angelina Ketterling hier Fünfter), die SG Sandbach (P6-P7) und die in ihrer Altersklasse konkurrenzlosen Ü40-Gymnastinnen des TuS Steinbach. Geturnt wird in der Gymnastik mit den Geräten Ball, Seil, Keule, Band und Reifen. Drei der fünf Geräte müssen bei den Mannschaftsmeisterschaften pro Sportlerin beherrscht werden.

(Erschienen im Darmstädter Echo, 11.11.2015)